Peschels Ritt auf der Kanonenkugel

von Simone Kaempf

Heidelberg, 6. Mai 2016. Fast kann man an diesem Abend ausrufen: Fritz Kater ist wieder da. Unter diesem Pseudonym schreibt Armin Petras meist seine Stücke – und es sind nicht seine schlechtesten –, in denen er immer wieder kippelige Figuren entwirft. "Münchhausen" weckt allerlei Assoziationen an die leicht gebrochenen, Wunden leckenden Kater-Figuren. Verlierertypen, nicht auf den Mund gefallen, die ihre kleinen Depression pflegen und über Umwege doch ziemlich viel Trotz an den Tag legen. Die auch witzig sein können und selbstironisch herumulken, wenn die Situation mal richtig ernst wird.

Der Schauspieler Milan Peschel lässt sich in "Münchhausen" ziemlich gut in diese Figurengalerie einreihen. Auf der Bühne zieht er erst einmal Grimassen, schleicht sich von der Seite an die Bühne heran, verlegen in die Luft guckend wie jemand, der eigentlich unsichtbar sein will. Wie er sich am Seiteneingang herumdrückt, sieht man ihn erst wirklich nicht, aber dann steht er doch auf Bühne und schmettert ins Publikum: "Schönen Abend, meine Damen und Herren". Ja, den hat man in dieser launigen One-man-Peschel-Show, auch wenn die Uhr nach zwei Stunden in Heidelberg bedrohlich auf Mitternacht zusteuert.

Das ganze Leben als Prolog zur großen Show

Peschel ist an diesem Abend ein Schauspieler, der Zeit überbrücken muss. Und wie geht das besser, als erstmal ins Plaudern zu kommen darüber, was einen bewegt. Peschel nimmt dazu immer wieder Anlauf, raucht zwischendurch, trinkt ein Bier, was sich zu einem lebensphilosophischen Monolog summiert, der vom Theater handelt und aufs Leben zielt. "Wenn ich spiele, denke ich, wann hört das eigentlich auf", sagt Peschel. " Atemlos kündigt er an, dass die Show gleich losgeht, wenn erst einmal der Kollege im Münchhausen-Kostüm eintreffe. Der mit dem französischen Akzent, der bei Zalando arbeitet und zu spät zur Vorstellung erscheint. Was Anlass genug ist für bezugsreiches Sinnieren über Rollen, sich selbst, das Leben draußen. "Ich arbeite nicht bei Zalando", sagt Peschel und dreht sich mit erhobenem Zeigefinger zum Publikum: "noch nicht!"

muenchhausen 700 Arno DeclairEiner, der eigentlich unsichtbar sein will: Milan Peschel in "Münchhausen" © Arno Declair

Warten auf das, was kommen könnte – das zieht sich wie ein roter Faden durch den Abend. Ein lang gezogener Prolog zu der angekündigten Show mit dem Münchhausen-Kollegen. Mit vielen Bezügen zu dem, was im Leben geschieht oder eben auch nicht. Peschel macht daraus ein komödiantisches Spiel an der Grenze zur Stand-up-comedy, nutzt den Freiraum der Bühne, changiert auch zum Ernst. Er stolpert scheppernd in den Requisiten herum in Momenten, in denen er sich unbeobachtet fühlt. Wünscht sich ein Bier, das ihm durch den Vorhang prompt gereicht wird wie in einer Surrealisten-Show. Legt mit seiner Melone auf dem Kopf eine Stepeinlage ein wie eine Reminiszenz an die Unterhaltungs-Industrie, um nach dem Energie-Schub erstmal erschöpft auf den Stuhl zu plumpsen.

Was die Welt zufunkt

Wie viel von Peschel selber steckt in dieser Figur, wie viel von Petras und vom Regisseur Jan Bosse? Wie viel auch von alten Rollen? Es lässt sich kaum beantworten. Von Peschels Improvisationstheater lebt der Abend jedenfalls dicke beim Gastspiel in Heidelberg. Kleine Witze fallen über den Unterschied zwischen Heidelberg und Mannheim, zwischen regionalen Brause-Sorten, Holger Schultze wird auch in einen Scherz eingebaut. Am schönsten aber ist die Parodie auf ein Telefonat mit einem Regisseur, dem zweifelsohne Frank Castorf als Vorbild dient.

Ins Uraufführungsprogramm passt "Münchhausen" stellvertretend für das Genre Monolog schon ziemlich gut. Zumal hier nicht nur eine Textsuada herausgeschleudert wird, sondern Peschel den Dialog sucht, immer wieder das Publikum anspricht, Antworten auch selbst gibt. Sich charmant und ohne Peinlichkeit einen Zuschauer aus der ersten Reihe holt, das Publikum zum kollektiven Armheben animiert und auch in Lauerstellung geht, was die Welt von außen zufunkt. Als Requisite reicht ein wolkenbedruckter Vorhang, vor dem Peschel wie von Magritte gemalt scheint und dann beteuert, nicht in Bilder zu passen. Etwas von Fingerübung hat die Inszenierung natürlich dennoch, aber als verspielter kleiner Abend im Beiprogramm kommt diese existenziell grundierte Ein-Mann-Show voll zum Tragen. Und am Ende taucht er dann sogar doch noch auf – der Schauspieler im Münchhausen-Kostüm.

 

Münchhausen
von Armin Petras
Uraufführungs-Gastspiel Deutsches Theater in Koproduktion mit den Ruhrfestspielen
Regie: Jan Bosse, Ausstattung: Kathrin Plath, Dramaturgie: Ulrich Beck.
Mit: Milan Peschel, Martin Otting.
Dauer: 2 Stunden, keine Pause

www.deutschestheater.de

 

 

 

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