Zahlen lernen mit Beckett

von Wolfgang Behrens

Heidelberg, 4. Mai 2016. Fünf schwarze Stühle stehen auf einer strahlend weißen Spielfläche, darauf sitzen drei schwarzgekleidete Menschen mit schwarzen Hüten. Es sieht so aus, als würde hier gleich eines der radikal reduzierten Stücke von Beckett gespielt – "Come and Go" oder so etwas. Auf dem Programm steht indes der Vorjahressieger des Mülheimer KinderStücke-Wettbewerbs, "Dreier steht Kopf" von Carsten Brandau in einer Inszenierung des Theaterhauses Frankfurt. Ein Kinder-Beckett sozusagen, für Menschen ab 4.

Und tatsächlich geht es in Brandaus Text ziemlich absurd zu. Die Personen heißen Einer, Zweier und Dreier, und sie zerbrechen sich die Köpfe über die natürliche Ordnung der Zahlen. Abstrakt gesprochen, verhandeln sie recht komplizierte Dinge, es geht nämlich etwa um den Unterschied von Kardinalzahlen, die die Größe einer ungeordneten Menge angeben, und Ordnungszahlen, die eine Menge sortieren.

Natürliche oder künstliche Ordnung?

Man kann Erster und Zweiter sein – und der Frau Einer (Ute Nawrath) und dem Herrn Zweier (Günther Henne) geht es viel darum, Erster oder Zweiter zu sein –, man hat aber auch zwei Nasenlöcher, und da gibt es irgendwie kein erstes Nasenloch. Der Herr Dreier (Oliver Kai Mueller) pfeift sowieso auf die Reihenfolge der Zahlen, und irgendwann begreifen auch Einer und Zweier, dass sie ja gar keine Zahlen sind, sondern – ähm, ja: Vögel, die Einer und Zweier heißen. Und dass man die Reihenfolge auch tauschen kann: Zweier kann auch Erster sein.

Dreier steht Kopf1 250 Katrin Schander Hinter der vierten Wand: Herr Dreier, Frau
Einer, Herr Zweier © Katrin Schander

Und vielleicht ist ja Fantasie ohnehin wichtiger als Ordnung. Im Text ist das sehr hübsch und absurd genug. Ob das Beckett-Setting jedoch dem Ganzen so sehr dienlich ist, kann man bezweifeln. Die Schauspieler*innen ergehen sich in seltsamen Pantomimen, womit sie sich – trippel, trippel, Stuhl am Hintern – des Kindergekichers sicher sein können.

Vom Witz der Sprache lenkt das eher ab, zumal die drei – allen voran die Frau Einer – einen recht affektierten Sprechduktus pflegen. Und geflissentlich halten sie die Vierte Wand hoch, auf Zwischenrufe und eigene Antwortvorschläge der Kinder reagieren sie in keiner Weise. Seltsamerweise hat man am Ende den Eindruck, als sei dem Regisseur Rob Vriens die schwarz-weiße Formstrenge seiner Inszenierung, ihre Ordnung gewissermaßen, wichtiger gewesen als Offenheit und Fantasie. Der Text zumindest schlägt da etwas Anderes vor, und es ist misslich, dass dies in der Inszenierung so überhaupt nicht zum Tragen kommt.

Dreier steht Kopf
von Carsten Brandau
Uraufführung Theaterhaus Frankfurt
Regie: Rob Vriens, Dramaturgie: Susanne Freiling.
Mit: Günther Henne, Oliver Kai Mueller, Uta Nawrath.
Dauer: 40 Minuten
www.theaterhaus-frankfurt.de

 

Zum Essay über die Jugendstücke

 

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